Zu seinem zehnjährigen Bestehen zählte der Musikverein Söflingen 1930 stolze 375 Mitglieder. Mit 41 Mann war die Kapelle eine der größten und leistungsstärksten im „Süddeutschen Musikerverband” (im Durchschnitt besaß ein Verein 13 Aktive). Nach Instrumenten waren es: 2 Flöten, 1 Oboe/Lyra, 2 Es-Klarinetten, 9 B-Klarinetten, 4 Flügelhörner, 4 Trompeten, 4 Waldhörner, 4 Tenorhörner, 1 Bariton, 4 Posaunen, 3 Tuben und 3 Schlagzeuger.
Dirigent von Nessen setzte den Einzelunterricht für Zöglinge fort: die Stunde kostete 50 Pfennig. Das geeignete Musikinstrument legte selbstverständlich der Kapellmeister fest!
Im April wurde man zur musikalischen Umrahmung des Schützenfests des Bezirks Schwaben in Neu-Ulm verpflichtet.
Im Juni führte die erste Auslandsreise im Sonderzug mit über 120 Mitgliedern nach Bregenz.
Im September durften die Vorstädter als erste Zivilisten das traditionsreiche sonntägliche Paradekonzert auf dem Ulmer Hauptwachplatz (heute die „Neue Mitte”) bestreiten – bisher war dies den Militärorchestern vorbehalten gewesen. Da am selben Tag die Reichstagswahl war, gab der Musikverein im damaligen Konzerthaus, dem „Saalbau“ in der Bahnhofsstraße, ein „Wahltagskonzert”. Ein extra eingebautes Radio vermittelt dabei den Anwesenden die Ergebnisse.

Manch verklärter Blick: hier wurde mal wieder kräftig gefeiert (1930)
1931 konnte der Musikverein beim 7. Bezirksmusikfest in Langenau erstmals den begehrten Laichinger Wanderpokal erringen (angetreten in der Oberstufe mit dem Kunststufenstück “Hamlet-Ouvertüre” von E. Bach). Nur ein einziger, nachträglich zuerkannter Punkt Vorsprung verhinderte, daß dieser endgültig in Blaubeurer Besitz überging. Nicht nur musikalisch besaßen die Söflinger inzwischen Gewicht: sie ruinierten nebenbei ein nicht unbedingt auf sie ausgelegtes Kinderkarussell!
Überdies wurde der Einladung zum Fest des Nachbarbezirks VII „Westschwaben“ in Weißenhorn entsprochen (Teilnahme außer Konkurrenz).
Die Vorsitzenden rochierten 1932: Georg Lude wurde 1. Vorstand, Albert Schreiber sein Stellvertreter.
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise erreichte die Arbeitslosigkeit in Deutschland ihren Höhepunkt. Sie betraf zum Jahresende 52 von 316 Vereinsangehörigen. Schon zuvor waren erwerbslosen Mitgliedern die Beiträge erlassen worden. Musikalische Auftritte bedeuteten ein Zubrot. Außerdem bekamen sie die Kosten bei Ausflügen, geselligen Zusammenkünften (Zeche) und sonstigen Veranstaltungen erstattet. Finanzielle und sonstige Hilfe gab es auch in besonderen Notfällen.
Ab 1933 erhielt der Musikverein Zuwachs aus der nach inneren Zwistigkeiten aufgelösten Söflinger Feuerwehrkapelle, ebenso das Nutzungsrecht des Instrumentariums (blieb jedoch Eigentum des Feuerwehrvereins) und übernahm deren musikalische Aufgaben.
Beim Bezirksfest in Seißen konnte der Wanderpokal erfolgreich verteidigt werden (Selbstwahlstück: „Rienzi”-Ouvertüre, R. Wagner; Stundenchor: „Dramatische Ouvertüre”, W. Schneider).
Das Ansinnen der Neu-Ulmer SA sowie des Ulmer Reservesturms, die erfolgreiche Kapelle als ihren Musikzug einzugliedern, wurde per Mehrheitsbeschluß von den Musikern abgelehnt. Im Vereinsausschuß kam es in dieser Sache zu wüsten Auseinandersetzungen. Dennoch konnte man sich der Gleichschaltung nicht entziehen, da sonst die Zwangsauflösung gedroht hätte: die „Vereinsführer” mußten Mitglied der NSDAP sein, Geltung des „Führerprinzips“ innerhalb des Vereins (d.h. nur der Vorsitzende/„Führer“ wurde gewählt, dieser setzte dann alle anderen Funktionäre ein), Beitritt zur Reichsmusikkammer, die Programmgestaltung hatte sich an der nationalsozialistischen Weltanschauung auszurichten (z. B. Verbot jüdischer Komponisten)… Einstweilen bestand ferner nur die Verpflichtung, bei Veranstaltungen des Staates oder der Partei die Musik zu stellen (im Durchschnitt 15 p.a., was 30% des Jahreskalenders entsprach), wozu man bewußt die blaue Ziviluniform des Vereins trug, ansonsten konnte eine gewisse Unabhängigkeit gewahrt bleiben.
1934 traten die beiden Vorsitzenden Lude und Schreiber zurück, z. T. bedingt durch die politischen Querelen. Die Gründungsmitglieder Andreas Jakober (1920-32 Chorführer des Blasorchesters) und Georg Duckeck (1920-27 Dirigent) als Stellvertreter übernahmen die Verantwortung in schwieriger Zeit und taten ihr bestes, die Selbständigkeit des Musikvereins Söflingen zu erhalten – auch gegen den Widerstand Regimetreuer aus den eigenen Reihen.
Neun Musiker (= ein Viertel des Blasorchesters) wechselten zur NS-Parteikapelle über und nahmen ihre vereinseigenen Instrumente gleich mit. Nach Protest konnte deren Rückgabe erwirkt werden. Neben der ideologischen Gesinnung mögen auch Vorteile, wie die bevorzugte Vermittlung von Arbeitsplätzen an Parteigenossen eine Rolle gespielt haben. Es gelang aber mit der Zeit, diesen Verlust durch den ausgebildeten Nachwuchs – 1934/35 bestand die Zöglingsabteilung aus 15 Jungen – sowie die Aufnahme von Mitgliedern aufgelöster Kapellen auszugleichen.
Dem Orchesterleiter sollte ein Beirat zur Seite gestellt werden, um an der Programmgestaltung mitzuwirken. Ziel: „mehr verständliche Volksmusik“ und weniger „klassische Stücke“ mit Rücksicht auf die Dezimierung, den Nachwuchs, die Aktiven („Verbitterung durch großspuriges Auftreten“) und die passiven Mitglieder („verfehlte Konzertstücke“).
1935 erhielt der Musikverein Söflingen beim 1. Volksmusiktag in Rißtissen zum dritten Mal hintereinander den 1. Preis und die höchste Punktzahl und sicherte sich damit endgültig den Wanderpokal (Kunststufe; Preisstück: Ouvertüre „Maritana” von Vincenz Wallace, Stundenchor: „Die Tellskapelle” von Franz Liszt; Note: „vorzüglich“). Das Wertungsgericht beschied:
„Es erübrigt sich, durch kleinliche Nörgelei diese Glanzleistung auch nur im geringsten zu trüben. Söflingen und der ganze Bezirk kann stolz sein auf diese prachtvolle und tongewaltige Kapelle und ihren hervorragenden Dirigenten.“
Beim Festumzug trat der neugegründete Spielmannszug erstmals an die Öffentlichkeit.
Einen Tag nach dem großen Erfolg wurden wegen Flugblättern einer kommunistisch inspirierten Widerstandsgruppe der Vorsitzende, der Schriftführer und ein Musiker von der Gestapo vorgeladen, wenig später der Chorführer der Streichmusik vorrübergehend verhaftet und aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Kreis dieser Gruppe angeklagt, 1937 in einem Hochverratsprozeß aber freigesprochen. Auch die beiden Hauptakteure Albrecht Vogt (starb im KZ) und Josef Stadelmann (floh unter kuriosen Umständen à la Hauptmann von Köpenick aus der U-Haft in die Schweiz) waren als Passive Mitglieder des Musikvereins.
Im Laufe des Jahres wuchs das Blasorchester auf 46 (u. a. Auflösung der Ulmer Kapelle „Presto”), das Streichorchester auf 36 Mitglieder an, der Spielmannszug zählte 12.
Natürlich war man auch in Sachen Gendergerechtigkeit seiner Zeit weit voraus und zeigte, daß die Ausübung Blasmusik nicht nur Männern vorbehalten war: im Fasching 1935 und 1936 zog eine Heiterkeitsausbrüche auslösende „Damenkapelle“ durch die Straßen der Vorstadt, gefolgt von den kostümierten Kindern. Anschließend wurden sämtliche Teilnehmer mit Kaffee und Kuchen bewirtet.

1937 debütierte das von zwei aus Mannheim stammenden Musikern initiierte Männer(doppel)quartett. Ins selbe Jahr fiel ein Besuch in deren Heimat beim Gesangverein „Deutsche Einheit“ M.-Freudenheim.

4. Reihe: Jakob Walter, Eugen Spieß „II“, Alfred Weber, Fritz Ruoß, Georg Lohrmann, Karl Ungerer, Wilhelm Bantel, Konrad Allig, Josef Wild, Fr. Brandt, Eugen Metzger, Eugen Pfomann, Hans Kraus; 3. Reihe: Hugo Metzger, Kurt Leisling, Alfred Schenk, Erwin Strohmeier, Karl Bauder, Josef Hasenmaile, Wilhelm Lohrmann, Andreas Zwiebel, Andreas Braunwarth, Hans Kurz, Walter Hanold, Fritz Lohrmann, Georg Ströhle, Walter Knoll, Otto Armbruster; 2. Reihe: Oskar Karan, Franz Deufel, Gustav Fiesel, Wilhelm Götz, Georg Schütz, Albert Groß, Eugen Spieß „I“, Ernst Schneider, August Schneider, Emil Westhäuser, Kurt Maidl, Jakob Ströhle, Jakob Bauer, Gottfried Mall; 1. Reihe: Paul Mohring, Karl Dauner, Eugen Gansloser, Gottlob Bausch, Paul Renner, Andreas Jakober, August v. Nessen, Robert Trump, Jakob Jakober, Wilhelm Ströhle, Karl Daur; vorne: Hans Haag und Erwin Knoll
1938 verstarb der 2. Vorsitzende und Gründungsdirigent Georg Duckeck. Nachfolger wurde der frühere Vorstand Georg Lude.
Nachdem der Druck und die Einschränkungen im Laufe der Jahre immer größer geworden waren und sich zwischenzeitlich weitere NS-Organisationen (Deutsche Arbeitsfront, NS-Kraftfahrkorps) der im Umkreis weitaus größten Kapelle hatten bemächtigen wollen, konnte man sich der Gleichschaltung schlußendlich nicht mehr entziehen. Im April 1938 wurde die Vereidigung als neuer Musikzug der Ulmer SA-Standarte 120 vollzogen (der alte war – zugleich städtisches Orchester – 1937 aufgelöst worden). Zugesichert war, das Vereinsleben nicht zu beeinträchtigen und weiterhin die eigenständige Organisation einschließlich der musikalischen Leitung. Die Einkleidung erfolgte auf Kosten der SA, gleichfalls bestand Beitragsfreiheit, wohingegen die Stadt Ulm künftig für die Anschaffung von Instrumenten und Noten sowie Reparaturen aufkommen sollte.
Die SA-Gruppe Südwest (Baden oh. Kurpfalz, Württemberg-Hohenzollern) bestimmte nach einem Vorentscheid die Standartenkapelle 120 zu ihrem Vertreter auf dem Reichsparteitag in Nürnberg. Trotz der Umstände soll erwähnt werden, daß die Söflinger nach 17 vorbereitenden Exerzierübungen bei der mit dem Vorbeimarsch an Adolf Hitler auf der Führertribüne verbundenen Wertung unter 86 Musikzügen – zusammen mit zwei weiteren – den ersten Platz erlangten.

Es erschien die eigene monatliche Vereinszeitung; angesichts der kommenden Ereignisse wurde sie im folgenden Jahr aber wieder eingestellt.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurden 19 Aktive zur Wehrmacht einberufen, am Jahresende waren es insgesamt 34 Vereinsmitglieder. Bei Vereidigungszeremonien in den Kasernen zählte der Blasmusikkörper im September dadurch nur noch 24 Mann, das geschrumpfte Streichorchester stellte auf Quartettnoten um bzw. wandelte sich zum Salonorchester. Weil der Mitgliedsbeitrag vorläufig nicht mehr erhoben wurde und sich die SA weigerte, den Dirigenten zu entlohnen, wurde August von Nessen beurlaubt. Die musikalische Leitung übernahm zunächst Chorführer Robert Trump, dann der vom Militärdienst zurückgekehrte Andreas Jakober, bei den Streichern Ernst Schneider.